Der Berliner Kulturwissenschaftler Thomas Macho:
Wer mit permanenter Fülle konfrontiert wird, sehnt sich nach Leere: nach einer Erlösung vom Zwang, alle Genussangebote akzeptieren zu müssen. Wer unaufhaltsam versorgt wird, beginnt nach Entzug zu streben. Daher ist es keineswegs verwunderlich, dass sich - gewissermaßen als Reaktion auf stets besetzte Supermarktregale - ein Typus alternativer Sinnstiftung etabliert hat: etwa in Gestalt pseudoasketischer Lebensweisheiten, die Verzicht und Enthaltsamkeit predigen. Jedem zeitgenössischen Kochrezept korrespondiert ein Diätvorschlag; jeder Metzgerei ein Reformhaus; jeder Werbung für ein neues Nahrungsmittel ein Medikament gegen "Völlegefühle" oder Gastritis. 

Es gibt Polarität. Polarität bedeutet, es gibt in unserer Wahrnehmung, in unserem Bewußtsein nichts, das nicht durch Pol und Gegenpol gekennzeichnet ist. Beliebige Beispiele sind: gut-böse, plus-minus, Mann-Frau, oben-unten, drinnen-draußen, bewußt unbewußt, einatmen-ausatmen, schnell-langsam und so weiter. Hegel: "Polarität ...ist von einem Unterschiede, in welchem die Unterschiedenen untrennbar sind". In der materialistischen Dialektik wird die Polarität nicht nur als Unterschied zweier untrennbar miteinander verbundener Pole, sondern deren Gegensätzlichkeit herausgestellt. In diesem Sinne bedeutet Polarität die Aufspaltung (als Prozess oder Resultat) eines Einheitlichen in entgegengesetzte und sich zugleich bedingende Pole. Polarität bedeutet nicht, daß es nicht die Einheit bzw. das gleichzeitige Vorhandensein von solchen Gegensatzpaaren gäbe. Das Problem ist für uns nur, daß wir es nicht gleichzeitig wahrnehmen können, sondern nur nacheinander, unter Zuhilfenahme der Zeit. Ein Beispiel dazu: Stellen Sie sich Ihre Wohnungstür vor. Sie ist gleichzeitig Eingang und Ausgang, aber Sie können nicht beide Funktionen gleichzeitig wahrnehmen, sondern nur nacheinander: Sie können hineingehen oder hinausgehen, beides gleichzeitig ist nicht möglich, dann nämlich stünden Sie fest in der Tür und die Funktion Ein- und Ausgang wäre nicht mehr existent. Trotzdem sind natürlich beide gleichzeitig immer da. Ja sie bedingen einander sogar, denn gäbe es keinen Eingang, gäbe es auch keinen Ausgang, oder können Sie sich vorstellen, daß es NUR Eingänge oder NUR Ausgänge auf der Welt gäbe? So verhält es sich auch mit dem Atmen: Einatmen und Ausatmen bedingen einander, ohne Ausatmen könnte man nicht einatmen und ohne Einatmen nicht ausatmen, sie bedingen einander, sie bilden eine Einheit. Wir können Sie jedoch wiederum nur nacheinander wahrnehmen, gleichzeit ein- und auszuatmen ist nicht möglich. Der Wechsel zwischen den Polen ist als Rhythmus gekennzeichnet und damit als etwas, das wir Leben nennen. Zerstören wir den Rhythmus, das heißt, nehmen wir einen Pol weg, indem wir zum Beispiel versuchen, den Pol "Ausatmen" wegzulassen und nur den Pol "Einatmen" zuzulassen, verschwindet zwangsläufig und automatisch auch der Pol "Einatmen", denn nur einatmen ist nicht möglich. Für diese Beispiele ist alles klar und einleuchtend. Doch wie verhält es sich denn mit Meinungen, Ansichten oder moralischen Wertungen? Ein gutes Beispiel dafür ist die Frage nach dem Gut und Böse der Menschen dieser Welt. Wenn wir auch hier annehmen, daß dieses Paar einander gegenseitig bedingt und ohne den Gegenpol einer allein nicht "überleben" kann, müssen wir konsequenterweise auch feststellen, daß "das Böse" dieser Welt seine Berechtigung hat. Macht es Sinn, das Böse auszurotten, wenn damit auch "das Gute" untergeht? Ist es überhaupt möglich? Wie es scheint, nicht. Das zeigt doch wohl die Weltgeschichte, seit dem wir Wissen darüber haben. Seit Jahrtausenden wird versucht, und zwar von jeder Seite mit gleicher Vehemenz, das gegensätzliche vermeintlich Böse auszumerzen mit dem Ziel, daß nur das Gute übrig bleibe. Das kann logischerweise nicht funktionieren. Denn gäbe das Böse nicht, wären wir ja auch nicht "die Guten"...
Aus der Polarität, in der wir uns nun einmal vorfinden, ergibt sich noch eine weitere Erkenntnis: Wir sind gezwungen, uns immer und ohne Ausnahme zu entscheiden: Tu ich jetzt dies oder das, tu ich überhaupt was oder laß ich es sein, gehe ich hier entlang oder dort, finde ich das gut oder schlecht (!?), esse ich dies oder das u. s. w. Tausende male jeden Tag entscheiden wir uns und wir können nicht anders, wir sind dazu verdammt, uns immer zwischen zwei Polen zu entscheiden, sonst gäbe es Stillstand und damit Tod.
Gibt es dabei ein Richtig und ein Falsch? Nein, gibts nicht. Denn nur dadurch, daß wir gezwungen sind uns zu entscheiden, verliert der Gegenpol ja nicht seine Daseinsberechtigung. Und andere Menschen entscheiden sich vielleicht gern für den Gegenpol (die weiße statt schwarze Jacke, den Islam statt Christentum (o.k., dieser Vergleich ist nicht stimmig, da kein wirklicher Gegenpol, trifft aber genauso zu und macht vielleicht deutlich, worum es hier geht)). Es gibt auch keinen Grund, den Gegenpol zu bekämpfen, vielleicht haben wir ja auch geschwankt und lange überlegt, wofür wir uns entscheiden, vielleicht stand es ja lange Zeit 50:50 und wir hätten uns auch für die andere Seite entscheiden können. Es gibt ebenfalls keinen Grund, jene Facetten der Wirklichkeit in unserem Leben, die wir nicht mögen, für die wir uns nicht entschieden haben, nun zu verbannen in unser Unbewußtes (seit Freud und Jung "Schatten" genannt), weil sie uns unangenehm sind, weil wir uns nicht damit identifizieren, weil sie (angeblich) nicht zu uns gehören. Denn diese verdrängten und ins Unbewußte verbannten Anteile von uns "wollen" natürlich genauso gelebt und wahrgenommen werden wie die bewußten, die wir als zu uns gehörig einordnen. Und werden diese Anteile nicht in adäquater Form gelebt bzw. ins Bewußtsein geholt und bearbeitet, dann kommen sie eben als Symptom oder Krankheit oder Schicksalsschlag oder als böser Bube, der uns in der Arbeitswelt z. B. begegnet. Darauf projizieren wir dann gern "die Schuld" für unser Schicksal, für das wir ja angeblich nichts können, und hier gibt es die wunderbare Möglichkeit der Reinkarnationstherapie, die diese Projektionen zu erkennen und zurückzunehmen hilft, und zu begreifen, daß wir alle zu 100% selbst für unser Schicksal verantwortlich sind.
Übrigens ist die Tatsache der Polarität oder besser allein schon das Vorhandensein der Polartität an sich auch die ursprünglich gemeinte Erbsünde der christlichen Religion, doch dazu mehr in einem weiteren Beitrag... (später, ich arbeite an den Beiträgen kontinuierllich weiter).

Hier etwas über das Buch "die Schicksalsgesetzte" von Dr. Ruediger Dahlke

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